BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bündnis90/Die Grünen Hennef

Lippenbekenntnisse reichen nicht!

26. Februar 2007

Im Klimaschutz werden die Weichen falsch gestellt

Die beispiellose öffentliche Diskussion der letzten Wochen über Klimawandel und Energiepolitik hat offenkundig für die Meinungsbildung in der Bevölkerung bereits eine erhebliche Wirkung gehabt. So wollen nach Umfragen jeweils überwältigende Mehrheiten der Befragten ihren Stromverbrauch senken, weniger Heizenergie verbrauchen, auf kleinere Autos umsteigen oder weniger Auto fahren; eine Mehrheit spricht sich sogar für ein Tempolimit aus. Doch wie weit diese Bereitschaft zur Verhaltensänderung auch tatsächlich umgesetzt wird, hängt entscheidend davon ab, ob Politik und Wirtschaft die Weichen richtig stellen. Das ist aber bisher nicht der Fall. Noch nicht einmal kleinste Trippelschritte werden tatsächlich gegangen!

Die große Koalition liefert ein Beispiel nach dem anderen, wo Wort und Tat weit auseinanderklaffen, wo Sonntag der Klimaschutz gepriesen wird und ab Montag wieder jede noch so kleine Maßnahme für den Klimaschutz zerredet, blockiert oder ganz verhindert wird :

- Den von mehreren Ministern des Bundeskabinetts versprochenen Umbau der Kfz-Steuer zur CO2-Steuer schiebt der zuständige Finanzminister auf die lange Bank, die Länder blockieren.

- Dem Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen stellen sich Verkehrsminister und Umweltminister gemeinsam in den Weg.

- Die Bundesregierung darf nicht weiter zögern, bei der steuerlichen Behandlung von Dienstwagen den CO2-Ausstoß maßgeblich zu machen.

- Die notwendige Ausweitung der LKW-Maut auf Kleinlaster und auf Bundesstraßen wird vom Verkehrsminister ignoriert.

- Das schon lange geforderte regenerative Wärmegesetz wird von der SPD versprochen und von der Union blockiert.

- Bei den Vorschlägen der EU zu mehr Wettbewerb im Energiebereich durch die Trennung von Netz und Produktion blockiert die Bundesregierung.

- Beim Emissionshandel hat die EU die wenig ambitionierten und kohlefreundlichen Vorschläge des Bundesregierung rabiat stoppen müssen. Aber auch auf der europäischen Ebene kommt der Klimaschutz derzeit nicht voran. Die deutsche Ratspräsidentschaft droht mit ihrem Hauptthema zu scheitern. Sogar die EU-Umweltminister verhalten sich halbherzig. Sie konnten sich nur auf eine CO2-Verringerung von 20 Prozent bis zum Jahr 2020 einigen. Das eigentliche Minimalziel von 30 % Kohlendioxidminderung wollen sie vom Verhalten anderer Industriestaaten abhängig machen.

Verbindliche Ziele zum Energiesparen ? zum Beispiel minus 20 % Primärenergie bis 2020 und eine jährliche Steigerung der Energieeffizienz um 1 % - sucht man in ihren Beschlüssen vergeblich. Den ursprünglichen Vorschlag von Umweltkommissar Dimas für einen Effizienzstandard bei Autos von 120 g CO2/km haben sie links liegen gelassen. Auch fehlen verbindliche Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Nur bei Biokraftstoffen legten sie sich fest auf ein 10%-Ziel, vermieden es aber, dafür Nachhaltigkeitskriterien zu definieren. Umweltminister Gabriel hat sich in diesem Fall für die kurzfristigen Interessen der Industrie und gegen die Umwelt entschieden.Es darf nicht dazu kommen, dass hinter der breiten Diskussion um drohende Klimaerwärmung weiter die Blockadestrategien derer versteckt werden, die in Wirklichkeit am ?weiter so? interessiert sind.

Grüne Aufgabe: Statt einen scheinheiligen Klimakonsens zu pflegen müssen die Blockierer beim Namen genannt werden!Zu den wichtigsten Blockierern einer anderen Energiepolitik gehören die großen Energiekonzerne: RWE, E.on, Vattenfall, EnBW. Sie planen zahlreiche neue Kohlekraftwerke, sogar Braunkohlekraftwerke, obwohl solche Neubauten auf Jahre hinaus zu Klimakillern würden. Insgesamt 27 neue Kohlekraftwerke sind bis 2012 geplant. Sogar der Neuaufschluss von Braunkohletagebauen wird betrieben. Die Konzerne treten beim Vorantreiben der off-shore Windkraft mehr auf die Bremse als aufs Gaspedal und gefährden damit die ehrgeizigen Ausbauziele dieser wichtigen Energiequelle.

Wir Grüne werden gegen neue Kohlekraftwerke bundesweit mobilisieren und werden auch die Kampagne zum Umstieg auf Öko-Strom verstärken. Durch einen solchen Umstieg kann man nicht nur den ?Atomausstieg selber machen?, sondern auch ?Klimaschutz selber machen?. Wir fordern den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung, die vom Wirtschaftsministerium seit Jahren blockierte Novelle des KWK-Gesetzes ist überfällig. Die bestehende Richtlinie der EU zur Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) muss verbessert werden, u.a. durch die Festlegung eines Ausbauziels für das Jahr 2020.

Im Jahr 2005 wurden weltweit 38 Milliarden US-Dollar in erneuerbare Energien investiert. Diese sind längst keine Nischentechnologie mehr, sondern finden global Anwendung. Erneuerbare sind nachhaltig, und die einzige langfristig sichere Energiequelle. Zwischen 1995 und 2005 ist die erneuerbare Stromerzeugung aus Wind, Wasser- und Biomasse in der Europäischen Union um rund 150 TWh gestiegen. Die Festlegung neuer verbindlicher Ziele zur Erreichung eines Anteils von rund 45 % der Elektrizitätserzeugung bis 2020 und 60 % in der EU bis 2030 ist eine wichtige Voraussetzung für eine weiterhin positive Entwicklung dieses Industriezweigs.

Energieintelligenz voranbringen

Wir wollen auch die Energiesparpotentiale in Haushalten, Industrie, Verwaltungen und Behörden stärker thematisieren. Der Einsatz von Energiesparlampen senkt die Kosten für Beleuchtung um bis zu 80%. Pro Haushalt werden dadurch 150 kg CO2 weniger ausgestoßen.Wir wollen nicht warten, bis auf europäischer Ebene gemeinsame Verabredungen getroffen werden, wie konventionelle Glühbirnen aus dem Markt geworfen werden können. Wir wollen Unternehmen direkt auffordern, nur noch Energiesparlampen in ihrem Sortiment anzubieten. Generell fordern wir europaweit ambitionierte Mindeststandards für den Stromverbrauch von Elektrogeräten wie Fernsehern, Computern, Kühlschränken u.ä. Stromfresser werden damit verboten. Standby-Schaltungen dürfen in Zukunft maximal 1 Watt verbrauchen. Damit politische Entscheidungen nicht technischen Innovationen hinterherhecheln, wollen wir mit der TOP-Runner-Politik dynamische Mindeststandards, wonach binnen jeweils fünf Jahren der energieeffizienteste Standard bei Elektrogeräten von allen Produkten auf dem Markt erreicht werden muss.

Um den Wettbewerb um die effizientesten Elektrogeräte anzukurbeln, wollen wir die Kennzeichnung in Effizienzklassen (wie sie bereits für Kühlgeräte und Waschmaschinen existiert) aktualisieren, dynamisieren und auf möglichst viele Geräte ausweiten. Künftig soll nur für die besten 10-20 % einer Produktgruppe das Label "A-Klasse" reserviert sein, alle anderen werden in B, C und D eingeteilt. Abstufungen wie A+ oder A++ werden abgeschafft.

Wir Grüne fordern, dass Gebäudeneubauten ab sofort Niedrigenergie- und Nullenergiehausstandards erreichen müssen; der Gebäudebestand sollte bis 2030 nach dem jeweilige best practice Standard saniert werden. Wir wollen gemeinsam mit dem Handwerk eine Kampagne für dieses Ziel einleiten.10 % der Treibhausgasemissionen in Deutschland stammen aus der Landwirtschaft. Dabei sind die Emissionen auf ökologisch bebauten Flächen 2/3 geringer als bei konventionellen. Seit dem Ende der rot-grünen Bundesregierung ist der Ökolandbau in der Förderpolitik wieder vernachlässigt worden. Wir setzen uns ein für eine Umschichtung der Fördermittel zugunsten ökologischer Alternativen in der Landwirtschaft und für eine Ausweitung des Anteils des Ökolandbaus auf 20 % der Fläche. Wir wollen auch, dass Biogas aus Gülle in großem Umfang hergestellt wird und dass regionale Produktion gestärkt wird.

Während der CO2-Ausstoß insgesamt seit 1990 in der EU um 24 % anstieg, wurden im Luftverkehr die Emissionen im gleichen Zeitraum sogar verdoppelt. Nahezu 30 % aller Kohlenstoffemissionen in der EU werden durch den Verkehr verursacht. Wenn der Luftverkehr weiterhin im jetzigen Umfang wächst, und die EU ihr 2-Grad-Ziel erreichen will, wird er bis 2030 das gesamte Kohlenstoffkontingent der Gesellschaft absorbieren. 50 % aller Fahrten sind kürzer als 5 km, während der städtische Verkehr 40 % der Verkehrsemissionen ausmacht. Wir müssen eine Kombination von Gehen, Radfahren, gemeinsamer Autonutzung, Carpooling und öffentlichem Nahverkehr (inter-modale Kette) für städtische Fahrten fördern - Hand in Hand mit einem besseren Mobilitätsmanagement. Wir fordern auch die Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplanes unter Berücksichtigung der neuen Erkenntnisse zum Klimawandel.

Im Verkehrsbereich brauchen wir auch in Europa ehrgeizigere Ziele. Diese müssen die Beseitigung der Steuerfreiheit von Kerosin, die Abschaffung der Mehrwertsteuerbefreiung im grenzüberschreitenden Luftverkehr und eine Einbeziehung der Luftfahrtemissionen in den Emissionshandel umfassen. Verbindliche CO2-Reduktionsziele im Verkehrsbereich von 30 % bis 2020 müssen festgelegt werden.Klimapolitische Prioritäten müssen schließlich in der Forschungspolitik gesetzt werden. Mittelfristig brauchen wir 0,5 % des BIP pro Jahr für Forschung und Entwicklung im Bereich des Klimaschutzes.

"Klimacheck" für alle Gesetze

Klimaschutz ist eine Querschnittsaufgabe, die alle Bereiche des Lebens umfasst. Wir Grüne wollen daher, dass die gerade entstehende Bürgerbewegung für Klimaschutz durch Politik und Wirtschaft unterstützt und nicht behindert wird. Die zersplitterte Zuständigkeit unterschiedlicher Ministerien wird dem zum Beispiel nicht mehr gerecht. Wir fordern daher einen regelmäßig tagenden Kabinettsausschuss für Klimapolitik unter Vorsitz der Bundeskanzlerin und entsprechende Strukturen auf der Ebene der Landesregierungen. Gesetze und Gesetzesänderungen sollen künftig in einem "Klimacheck" darauf hin überprüft werden, welche Auswirkungen sich durch sie auf den Klimaschutz ergeben.

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